Seit dem militärischen Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine sind bereits über sechs Millionen Menschen von dort geflohen, größtenteils in die Anrainerstaaten, viele hunderttausend Menschen sind aber auch in die Bundesrepublik geflüchtet.
Ukrainer:innen erhalten in Deutschland gemäß der EU-Richtlinie 2001/55/EG zur Gewährung vorübergehenden Schutzes oder gemäß EU-Ratsbeschluss vom 4. März 2022
unbürokratischen Zugang zu Aufenthaltstitel, Arbeitserlaubnis und Sozialleistungen. Sie bekommen so ein wichtiges Stück Sicherheit in der ihr Leben bestimmenden Katastrophe des Krieges.
Doch andere Kriegsflüchtlinge, die in der Ukraine gelebt, studiert oder gearbeitet haben oder die als Staatenlose ihr gesamtes Leben dort verbracht haben, werden größtenteils schlechter gestellt, obwohl sie vor dem gleichen Krieg, vor der gleichen Gewalt geflohen sind.
Nicht-ukrainische Drittstaater:innen mit befristetem Aufenthaltsrecht in der Ukraine sind einem Rundschreiben des BMI vom 14.4.2022 zufolge bisher von dem Recht auf temporären Schutz als
Kriegsvertriebene ausgenommen, wenn angenommen wird, dass eine "sichere und dauerhafte Rückkehrmöglichkeit" ins Herkunftsland besteht. Auch die Gruppe der Staatenlosen aus der Ukraine ist
absurderweise laut BMI von der Gewährung temporären Schutzes nach § 24 AufenthG ausgenommen.
Anstatt den Fokus auf den bisherigen Lebensmittelpunkt in der Ukraine zu legen, soll die vermeintliche Rückkehrmöglichkeit ins ursprüngliche Herkunftsland ausschlaggebend sein - und das, obwohl
nach den Leitlinien der EU-Kommission vom 21.3.2022 die Möglichkeit
besteht, Menschen, die "sinnvolle Verbindungen" in die Ukraine haben, ebenso den Schutz für Kriegsvertriebene zu gewähren, unabhängig vom Herkunftsland.
Zwar ist allen Menschen aus der Ukraine laut der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung erst
einmal der Aufenthalt bis zum 31. August im Bundesgebiet erlaubt.
Das soll ihnen die Möglichkeit eröffnen, entweder den vorübergehenden Schutz zu beantragen oder die Voraussetzungen für andere aufenthaltsrechtliche Zwecke zu erfüllen. Letzteres ist jedoch in
der Kürze der Zeit für viele Geflüchtete kaum möglich. Langfristig besteht die Gefahr, dass die Menschen dauerhaft in prekäre Lebenslagen geraten.
"Drittstaatsangehörige und Staatenlosen können aufgrund der unklaren Rechtslage und des damit einhergehenden bisweilen restriktiven Verwaltungshandelns in Deutschland kaum Perspektiven bei
Arbeit, Wohnung, Erwerb von Deutschkenntnissen, Ausbildung und Studium entwickeln - und dies, obwohl sie genauso von Krieg und Flucht betroffen und womöglich sogar traumatisiert sind, wie
ukrainische Staatsangehörige" mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL, kritisiert: "Alle Menschen, die aus der Ukraine vor Krieg und Gewalt fliehen mussten, haben ihren Lebensmittelp/unkt verloren, aber nicht alle werden in Deutschland gleichbehandelt. Drittstaatsangehörige und Staatenlose werden trotz vorläufig legalem Aufenthalt von Ausländerbehörden zum Teil unter Druck gesetzt auszureisen. Anträge auf den vorübergehenden Schutz werden oft nicht einmal angenommen. Das zeigt: für alle aus der Ukraine geflüchtete Menschen braucht es richtige Sicherheit und Perspektive durch einen Aufenthaltstitel."
Die unterzeichnenden Organisationen fordern:
von Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine bundeweite Regelung für:
ein zweijähriges Aufenthaltsrecht für alle aus der Ukraine Geflüchteten, um für alle Menschen, die vor dem Angriffskrieg Russlands fliehen mussten, tatsächlichen Schutz und Perspektiven zu schaffen, und die sollen Länder, schon jetzt alle rechtlichen Spielräume zu nutzen und auch den aus der Ukraine Geflüchteten ohne ukrainische Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.
Quelle: Pro Asyl und Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein