In einem gemeinsamen Brief an Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser fordern nun 41 Organisationen, dass einer möglichst großen Anzahl
gefährdeter LSBTI aus Afghanistan Schutz in Deutschland gewährt wird.
Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Dem Auswärtigen Amt liegen seit Monaten Fälle mit Namen gefährdeter afghanischer LSBTI vor, die verzweifelt auf Rettung warten. Doch bei Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser stoßen wir bisher auf taube Ohren mit unserer Forderung, auch gefährdete LSBTI
bei dem im Koalitionsvertrag vereinbarten humanitären Aufnahmeprogramm explizit zu berücksichtigen.
Zusammen mit 40 Organisationen fordert der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) nun endlich klare Zusagen seitens der Bundesregierung.
Folter, Morde, außergerichtliche Hinrichtungen, Todesstrafe: Nach der Machtübernahme durch die Taliban schweben Lesben, Schwule, bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Afghanistan in Lebensgefahr. Die Flucht in die benachbarten LSBTI-Verfolgerstaaten wie Iran und Pakistan bedeutet keine Sicherheit.
Die von uns und anderen Organisationen beim Auswärtigen Amt eingereichten Fälle müssen endlich geprüft und einer möglichst großen Anzahl gefährdeter LSBTI aus Afghanistan Schutz in Deutschland gewährt werden. Bei der Prüfung muss auf das Kriterium des Menschenrechtsaktivismus mit Bezug auf LSBTI verzichtet werden. Denn: Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren queere Personen in
Afghanistan einer massiven Verfolgung, auch in Form von
Kriminalisierung, ausgesetzt. Öffentlichen Aktivismus für die
Menschenrechte von LSBTI konnte es daher in Afghanistan nicht geben. Ihn als Kriterium anzulegen, würde LSBTI als eine der am meisten gefährdeten Personengruppen in Afghanistan faktisch ausschließen.
Die Bundesregierung hat seit März etwa 800 besonders gefährdeten Personen aus Afghanistan eine Aufnahmezusage erteilt. Nach unseren Informationen ist darunter keine einzige Person, die der Bundesregierung wegen ihrer Gefährdung als LSBTI gemeldet wurde.
LSBTI werden auch bei der Familienzusammenführung zumindest im klassischen Asylsystem faktisch ausgeschlossen. Nur die als Eheleute und leibliche Kinder definierte "Kernfamilie" wird berücksichtigt. Würden diese Maßstäbe auch bei der Aufnahme von LSBTI-Afghan*innen angelegt, würden gleichgeschlechtliche Paare dafür bestraft, dass ihre Beziehungen in Afghanistan lebensgefährlich sind und nicht rechtlich anerkannt werden. Auch hier darf Deutschland nicht die Diskriminierung im Herkunftsland in seinem eigenen Verwaltungshandeln fortsetzen.
Gleichgeschlechtliche Paare, die im Herkunftsland verfolgt wurden, müssen vom Auswärtigen Amt bei der Familienzusammenführung mit Ehepaaren gleichgestellt werden!
Zusammen mit weiteren Organisationen hat sich der LSVD bereits im Dezember 2021 an die beiden Ministerinnen gewandt, mit der dringenden Bitte, auch gefährdete LSBTI im humanitären
Aufnahmeprogramm gebührend zu berücksichtigen. In einem zweiten Schreiben im Februar 2022 haben wir unsere Forderungen wiederholt und konkretisiert. Weder haben wir bisher auf eines der beiden
Schreiben eine Antwort vom Auswärtigen Amt bzw. Bundesinnenministerium erhalten, noch hat sich die Bundesregierung öffentlich zu einer Aufnahme von LSBTI bekannt.
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