Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni ruft die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dazu auf, die individuellen Schicksale aller geflüchteten Menschen im Blick zu behalten. Mehr als 100 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Nie zuvor mussten laut Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen mehr Menschen vor Gewalt, Krieg, Verfolgung oder auch den Auswirkungen des Klimawandels fliehen.
Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und EKD-Beauftragter für Flüchtlingsfragen, sagt: „Wir dürfen nicht vergessen: Flüchtlinge sind Menschen, keine Zahlen. Sie alle haben einen Namen und eine individuelle Geschichte. Sie alle haben Eltern, Freunde und Verwandte. Und sie alle haben von Gott dieselbe unantastbare Würde geschenkt bekommen. Menschenwürde und Menschenrechte müssen Maßstab aller Politik sein, ob bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten, bei der Vermeidung von Fluchtursachen oder bei der Gestaltung von Arbeitsmigration und Einwanderungspolitik. Ihre Leben und ihre Rechte zählen genauso viel, wie die eines jeden anderen Menschen auch.“
Aus welchen Gründen Menschen fliehen müssen, veranschaulicht derzeit der russische Angriffskrieg auf die Ukraine in besonders brutaler Weise. „Die große Unterstützung für Geflüchtete sei beispielhaft“, sagt Bischof Christian Stäblein: „Die enorme Hilfsbereitschaft in ganz Europa für die Menschen aus der Ukraine ist ein starkes Zeichen gelebter Nächstenliebe. Das gilt sowohl für die staatliche Flüchtlingshilfe wie auch für das ehrenamtliche Engagement. Zu sehen, wie Menschen einander helfen, gibt mir persönlich Hoffnung trotz aller furchtbaren Berichte und Bilder aus diesem Krieg. Denn diese konkrete Solidarität zeigt uns, wozu wir als Menschen im Guten fähig sind und wieviel möglich ist, wenn wir füreinander einstehen.“ Bischof Stäblein betont, dass die Hilfsbereitschaft aber nicht nachlassen dürfe. Nach der kurzfristigen Versorgung in den ersten Kriegswochen stellten sich zunehmend neue Herausforderungen – unter anderem bei Betreuung und Beschulung von Kindern und Jugendlichen, bei der Unterstützung für getrennte Familien oder beim Schutz für besonders vulnerable Gruppen. Zudem müsse die Benachteiligung in der Behandlung anderer Flüchtlingsgruppen dringend beendet werden, um allen Geflüchteten, ungeachtet ihrer Herkunft, gut helfen zu können.
All diese neuen Herausforderungen durch den Krieg in der Ukraine dürften die anderen Schauplätze und flüchtlingspolitischen Probleme nicht aus dem Blick geraten lassen, unterstrich Bischof Stäblein. „Immer noch ertrinken Bootsflüchtlinge, ob im Mittelmeer oder im Ärmelkanal. Immer noch werden Geflüchtete in Lagern untergebracht – sei es in großen Haftzentren in der Ägäis, in unrechtmäßigen Internierungslagern in Polen oder in AnkER-Zentren in Deutschland.“
Noch immer hoffen Tausende Menschen, die in Afghanistan zurückgelassen wurden, dass sie von der deutschen Bundesregierung vor den Taliban in Sicherheit gebracht werden. Bischof Stäblein: „Als Kirche werden wir nicht nachlassen, die Abschottung Europas gegenüber Geflüchteten als Unrecht zu benennen, weil an Europas Grenzen tagtäglich Recht gebrochen wird. Christus sagt uns deutlich: „Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)