Alexander-Kenneth Nagel im Gespräch mit Kirsten Dietrich.
Religion bei Geflüchteten: Da heißt es oft, ein starker Glaube werde durch die Flucht noch intensiver. Aber das greift zu kurz, so der Religionswissenschaftler Alexander-Kenneth Nagel. Ebenso häufig sei Verlagerung ins Private oder Bedeutungsverlust.
Kirsten Dietrich: Wie beeinflusst Migration die religiösen Überzeugungen, wie leben Menschen ihre Religion unter neuen Bedingungen? Ich freue mich, dazu im Gespräch mit einem
Forscher zu sein, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Alexander-Kenneth Nagel lehrt Religionswissenschaft an der Universität Göttingen. Er hat geflüchtete Menschen danach befragt,
wie sich ihre Religiosität am Ankunftsort, also in Deutschland, verändert hat.
Wenn man über den Zusammenhang von Religion und Migration nachdenkt, dann hat man meist eine Vorannahme, nämlich die, dass, wenn jemand eine religiöse Prägung hat, diese dann durch Flucht und
Migration stärker wird. Sie sagen, so einfach ist das nicht.
Glaube reagiert auf Veränderung
Bevor wir darüber reden, wie sich der Glaube durch Migration denn verändert, würde ich gerne einen kleinen Schritt zurückgehen und eine Frage vorher stellen, nämlich ob sich Glaube durch
Migration überhaupt verändern muss – oder ist es vorstellbar, dass man einen Glauben, eine religiöse Orientierung verlustfrei von Land A nach Land B umtopfen kann?
Alexander-Kenneth Nagel: In ihrem Selbstverständnis sind religiöse Traditionen ja häufig statisch, wenn nicht gar ewig, auf Dauer gedacht. Trotzdem zeigt der
religionswissenschaftliche Blick, dass religiöse Traditionen eine sehr starke Kontextabhängigkeit aufweisen – und was könnte da stärker als Veränderungsimpuls wirken als der komplette Wechsel
der Umgebung, wie es bei Migration eben passiert?
Da lassen sich unterschiedliche Konstellationen vorstellen. Die eine Konstellation ist, dass man aus einer vorherigen religiösen Mehrheitssituation in eine religiöse Minderheitensituation
kommt. Und da muss bis dahin Unhinterfragtes plötzlich hinterfragt werden.
Quelle und Audi finden Sie hier.