Eine Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unter Leitung der Vorsitzenden Annette Kurschus ist zu einem zweitägigen Besuch in Brüssel zu Gast. Dabei stehen neben Gesprächen mit Spitzenpolitikern, hochrangigen Kommissionsbeamten und Diplomaten auch Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Kirchen auf dem Programm. Die Ratsmitglieder tauschten sich am 25. Mai 2023 zunächst im Europäischen Parlament mit dem Vize-Präsidenten Rainer Wieland (CDU) und dem Vorsitzenden des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), aus. Dabei standen aktuelle Fragen der Europapolitik wie die Unterstützung der EU für die Ukraine und der Sachstand der europäischen Lieferkettengesetzgebung im Mittelpunkt. Später informierte sich die Ratsdelegation im Gespräch mit der stellvertretenden Generaldirektorin für Migration und Inneres, Beate Gminder, und der Leiterin der Advocacy-Abteilung des Europäisches Flüchtlingsrates, Josephine Liebl, über die Kernelemente der geplanten Reform des Europäischen Asylrechts.
Die Ratsvorsitzende Annette Kurschus erinnerte beim Empfang im Haus der EKD in Brüssel an die Botschaft der Pfingstgeschichte: „Ohne den pfingstlichen ‚Geist der Wahrheit‘ werden wir in Europa keines der drängenden Probleme lösen können“. Annette Kurschus zeigte sich überzeugt, dass ein demokratisches Staatswesen und ein demokratisches Europa ohne diesen „Geist der Wahrheit“ als Basis von Verständigung und einer starken Gemeinschaft nicht möglich sind.
Den Innenminister*innen der EU-Mitgliedsstaaten wünsche sie für ihre Beratungen Anfang Juni über die Asylrechtsreform „Licht und Klarheit“ in Anspielung auf den Pfingstchoral „Oh komm, Du Geist der Wahrheit“.
„Es darf keine EU-Asylrechtsreform auf Kosten der Menschenrechte geben“, unterstrich die Vorsitzende des Rates der EKD. Verpflichtende Asylverfahren an den Außengrenzen unterwanderten die Glaubwürdigkeit der Europäischen Asylpolitik. Aus Flüchtlingsschutz drohe Schutz vor Flüchtlingen zu werden. Der Zugang zu fairen und effektiven Asylverfahren auf europäischem Boden müsse gewahrt bleiben - ebenso wie menschenwürdige Aufnahmebedingungen.
„Ausdrücklich unterstützen wir jede Bemühung um mehr sichere und reguläre Wege in die EU. Statt mehr Grenzschutz, Haftzentren und die Aushöhlung des Asylrechts, braucht es außerdem einen verpflichtenden Verteilungsmechanismus, der die Außengrenzstaaten im Fall von Überlastung unterstützt. Die unbürokratische Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge sollte hier für die EU-Reform Vorbildcharakter haben“, so Annette Kurschus.
Sie äußerte sich auch zur europäischen Lieferkettengesetzgebung. Auch hier müsse alles getan werden, um nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte, Klima und Umwelt zu vermeiden. „Wir setzen uns für eine europäische Regelung ein, die alle Unternehmen und den Finanzsektor erfasst, die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nimmt, die Rechte Betroffener durch eine zivilrechtliche Haftung stärkt und betroffene Interessensgruppen wie Gewerkschaften und Menschenrechtsverteidiger einbindet“, unterstrich die Vorsitzende des Rates der EKD.
Im weiteren Verlauf des Besuchs stehen heute ein Besuch im NATO-Hauptquartier und Gespräche im Haus der EKD über aktuelle Fragen der europäischen Sozialpolitik an, bevor es zu Begegnungen mit der Konferenz Europäischer Kirchen, dem Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und dem Päpstlichen Nuntius kommt.
Der Rat der EKD setzt sich aus 15 Theologen und Nichttheologen zusammen. Er ist neben der Synode und der Kirchenkonferenz eines der Leitungsorgane der EKD und vertritt sie in der Öffentlichkeit, unter anderem, indem er zu religiösen und gesellschaftlichen Fragen Stellung nimmt.
(Quelle: ekd.de)