Am 10. Juli 2023 ist ein kurdisches Ehepaar aus dem Irak im Kirchenasyl in der Evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck (Stadt Nettetal, NRW) mit einem Hausdurchsuchungsbeschluss durch die Ausländerbehörde der Stadt Viersen festgenommen worden. Beide schwer traumatisierte Personen sitzen nach Abbruch des Abschiebungsversuches aus medizinischen Gründen derzeit in
Abschiebehaft und sollen nach Polen überstellt werden. In Polen waren sie bereits in einem geschlossenen Lager über einen längeren Zeitraum inhuman behandelt worden und stehen seitdem unter massivem psychischem Druck.
Pfarrerin Elke Langer von der Evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck reagiert entschieden auf die Ereignisse von Montagmorgen: „Ich bin erschüttert, wie die Ausländerbehörde der Stadt Viersen hier vorgegangen ist. Unsere Mitarbeiter:innen sind alle fassungslos. Wir haben das Kirchenasyl aus humanitären Gründen gewährt – ein solcher repressiver Abschiebungsversuch zweier traumatisierter Menschen ist ein Skandal.“
Das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW und das Abschiebungsreporting NRW des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. verurteilen entschieden das Vorgehen der Ausländerbehörde der Stadt Viersen:
„Das seit Mai 2023 bestehende Kirchenasyl sollte grundlegende Rechte des kurdischen Ehepaars schützen, wie eine adäquate psychosoziale Unterstützung, medizinische Versorgung und eine menschliche Unterbringung. Den Zugang hierzu hätten beide Personen nicht durch eine sogenannte Dublin-Überstellung nach Polen. In der Kirchengemeinde hatte das Ehepaar einen stabilisierenden Schutzraum, um sich eine Perspektive aufbauen zu können. Dies ist durch den repressiven und massiv retraumatisierenden Abschiebungsversuch unmöglich geworden“, so Benedikt Kern, Theologe und Mitarbeiter im Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche NRW, das das Kirchenasyl begleitet hat. „Mit dem gewaltsamen Bruch des Kirchenasyls hat die Ausländerbehörde der Stadt Viersen eine rote Linie überschritten, hier wird die Erbarmungslosigkeit der aktuellen Migrationspolitik einmal mehr deutlich. Wir fordern die sofortige Freilassung der beiden Geflüchteten aus der Abschiebehaft und einen Abschiebestopp nach Polen!“
Sebastian Rose vom Abschiebungsreporting NRW unterstreicht: „Es ist offensichtlich, dass hier Abschiebungen um jeden Preis durchgeführt werden. Dies kritisieren wir mit aller Entschiedenheit, da hier Ermessensspielräume offensichtlich nicht ausgeschöpft werden. In NRW darf es ein solches Vorgehen nicht geben und das Kirchenasyl muss als ein wichtiger Akt der Humanität respektiert werden.“
Gewaltsame Räumungen von Kirchenasylen sind äußerst ungewöhnlich, da die Behörden diesen Schutzraum für Geflüchtete in Kirchengemeinden in der Regel respektieren. In NRW gibt es derzeit rund 140 laufende Kirchenasyle. Im vergangenen Jahr konnten davon rund 98% mit einer Bleibeperspektive für die Betroffenen beendet werden.
(Quelle: abschiebungsreporting.de)
Ergänzend dazu ein Statement der BAG Asyl:
Wir, die Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche, teilen das Entsetzen über das gewaltsame Eindringen in ein Kirchenasyl in NRW und solidarisieren uns ausdrücklich mit der betroffenen Kirchengemeinde Lobberich-Hinsbeck!
Wir fordern die sofortige Entlassung des schutzsuchenden irakisch-kurdischen Ehepaars aus der Abschiebehaft.
Pastorin Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der BAG: „Ein gewaltsames Eindringen in einen kirchlichen Schutzraum und Gewalt gegen die dort Schutz suchenden Menschen widerspricht eklatant dem, auf was Kirchen und Staat sich bei allen inhaltlichen Differenzen zum Thema Kirchenasyl geeinigt hatten: Transparenz und das Suchen nach humanitären Lösungen. Wir fordern die umgehende Entlassung der Eheleute H. aus der Abschiebehaft und eine gründliche Aufarbeitung dieses behördlichen Vorgehens.“