Nach dem Bruch des Kirchenasyls in einer evangelischen Gemeinde im nordrhein-westfälischen Kreis Viersen wird das betroffene Ehepaar offenbar doch nicht nach Polen überstellt. Die Viersener Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) habe am Montagnachmittag die Ausländerbehörde der Stadt angewiesen, die Abschiebehaft des aus dem Irak geflüchteten Paars außer Vollzug zu setzen, bestätigte ein Sprecher der Kommune dem Evangelischen Pressedienst (epd). Da am Dienstag die durch das Dublin-Abkommen festgelegte sechsmonatige Frist für die Überstellung nach Polen abläuft, wird laut dem Anwalt der Flüchtlinge nun ein nationales Asylverfahren in Deutschland durchgeführt.
Noch kurz zuvor hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Eilantrag gegen die Abschiebung abgelehnt, wie der Anwalt dem epd mitteilte. Die Überstellung sollte ursprünglich am Dienstag per Auto aus Darmstadt erfolgen, wo sich die beiden Iraker bislang in Abschiebehaft befanden. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW und die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hatten am Montagmorgen die Behörden aufgefordert, die Asylbewerber nicht nach Polen zurückzuführen und den Fall erneut zu prüfen.
Der Fall hatte Aufsehen erregt, weil die Behörden entgegen einer Vereinbarung zwischen dem Land NRW und der rheinischen Landeskirche die Eheleute bei einer unangekündigten Hausdurchsuchung am 10. Juli in der evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck in Haft genommen hatten. Das kurdische Paar sollte danach vom Flughafen Düsseldorf aus nach Polen gebracht werden. Wegen eines Zusammenbruchs der Frau wurde die Rücküberstellung damals aber abgebrochen.
Das kurdisch-irakische Paar war 2021 aus seiner Heimat geflohen und hatte ab Mai 2023 in der Gemeinde im Kirchenasyl gelebt, um nicht im Rahmen des Dublin-Abkommens nach Polen überstellt zu werden. In Polen seien die Eheleute bereits auf ihrer Flucht über Belarus in einem geschlossenen Lager festgehalten und „unmenschlich behandelt“ worden, erklärten die Organisationen um Pro Asyl. Das Paar habe Gewalt von polnischen Sicherheitskräften erlebt und sei nun in großer Angst.
Bei der Räumung des Kirchenasyls sei „völlig außer Acht gelassen worden“, dass das Paar bereits schwer traumatisiert gewesen und die Frau deswegen schon länger in psychiatrischer Behandlung sei, kritisierte die Pfarrerin der Gemeinde, Elke Langer. Die Initiativen betonten zudem, Kirchenasyle müssten auch künftig geschützte Räume bleiben, „die für die Behörden tabu sind“.
Die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, verlangte „eine gründliche Aufarbeitung“ des behördlichen Vorgehens. Die Vereinbarung zum Kirchenasyl in NRW sieht vor, dass Gemeinden möglichst vorher von den Ausländerbehörden über geplante aufenthaltsbeendende Maßnahmen informiert werden sollten.
(Quelle: ekd.de)