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Zur politischen Hetze gegen Zuwanderung und das Recht auf Asyl. Ein wütender Essay von Bascha Mika in der Frankfunter Rundschau

Bild: pixabay.com
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Worte sind Waffen. Gezielt eingesetzt können sie Wellen der Gewalt und Zerstörung auslösen und dabei nicht nur einzelne Menschen treffen, sondern ganze Gesellschaften schleichend zersetzen. „Worte können sein wie winzige Arsendosen“, schreibt der Schriftsteller Victor Klemperer. „Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.

 

Ist es also Dummheit, Fahrlässigkeit oder kaltblütiges Kalkül, was sich Politiker und Politikerinnen der bürgerlichen Parteien derzeit leisten? Seit Monaten befeuern sie – mal grob, mal subtiler – den Diskurs über Zuwanderung und Asyl. Verunglimpfen Ausländer und Ausländerinnen, Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge. Bedienen rassistische Argumentationsmuster und entmenschlichen ihre Opfer. Mit ihren verbalen Attacken schrammen sie manchmal nur knapp an der Volksverhetzung vorbei – und die AfD freut sich.

 

Welche Synapsen haben sich wohl im Hirn des CSU-Politikers Peter Ramsauer verschaltet, als er in einer bösartigen Assoziationskette das Thema Fachkräftemangel mit ekligen Tieren verknüpfte? O-Ton: „Deng Xiaoping hat einmal gesagt: Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.“ Was macht man denn mit Ungeziefer, Herr Ramsauer? Man muss es vernichten, oder? Wer braucht schon Schädlinge im Haus oder Land?

 

Die Grundwerte einer pluralen Gesellschaft beginnen zu faulen, wenn mit ihnen gezockt wird. Die Brandmauer fällt, wenn an Menschenrechte der doppelte Standard angelegt wird, weil es politstrategisch gerade mal passend erscheint. Dabei ist der bayerische Bundestagsabgeordnete ja nur deshalb öffentlich aufgefallen, weil er einen besonders hässlichen Vergleich angestellt hat. Andere Politiker und Politikerinnen der etablierten Parteien, ob von SPD, FDP oder CDU, äußern sich in der Debatte um Asyl und Migration vielleicht weniger drastisch – aber keineswegs weniger menschenverachtend. Und suhlen sich fröhlich im braunen Gesinnungssumpf à la AfD.

 

Seid Ihr Volksvertreter noch ganz bei Trost? Oder schon völlig verantwortungsvergessen? Hört endlich auf damit! Tut doch nicht so, als wüsstet Ihr nicht, wo das endet. Inzwischen werden in Deutschland wieder jeden Tag zwei bis drei Geflüchtete attackiert. Bereits im vergangenen Jahr – auch provoziert durch die elende Asyldebatte in der Europäischen Union – sind die Angriffe auf Flüchtlingsheime gestiegen, zum ersten Mal seit 2015. In diesem Jahr werden sie weiter zunehmen, denn bis Juli wurden bereits 80 Anschläge oder Sachbeschädigungen registriert.

 

Selbstverständlich sind Fluchtbewegungen eine globale Herausforderung und Fluchtgründe so vielfältig wie die Menschen, die ihre Heimat verlassen – und zwar selten freiwillig. Nicht nur Deutschland und Europa müssen Lösungen rund um Fragen von Migration und Zuwanderung finden, was keineswegs einfach ist. Doch wollen wir in der aufgeklärten Moderne in die Barbarei zurückfallen oder uns dabei auf Errungenschaften der Zivilisation besinnen? Dass Menschenrechte unteilbar sind, zum Beispiel.

 

Bayern – wo sich Ministerpräsident Söder, Innenminister Herrmann und der Vorsitzende der Freien Wähler, Aiwanger, besonders gern einer menschenfeindlichen Rhetorik bedienen und Zuwanderung als bedrohlich markieren – steht bundesweit an der Spitze der rassistisch motivierten Attacken auf Schutzsuchende. 105 Angriffe auf Geflüchtete und 14 Anschläge auf Unterkünfte gab es bereits in diesem Jahr, meldet der bayerische Flüchtlingsrat.

 

So wird über Sprache ein Klima geschaffen, in dem Gewalt gegen spezifische Gruppen gesellschaftlich akzeptiert erscheint und dann auch weniger Mitgefühl in der Bevölkerung hervorruft. Wollt Ihr den Zusammenhang leugnen? Wie weit ist es wohl von Euren Worten zu Taten? Vom Schlagwort zum Brandsatz? Wie viele Neonazis sind denn in den vergangenen Jahrzehnten schon losgezogen – aufgestachelt von einer aggressiv fremdenfeindlichen Stimmung im Land, die Ihr mit aufgeheizt habt? Gewaltverliebte Jungmänner, Mordlust im Auge, die glaubten, des Volkes Willen zu vollstrecken: „Wir tun was, wo andere nur quatschen!“

 

Muss man Euch wirklich erinnern?

 

Eberswalde 1990: Amadeu Antonio wird von Neonazis gejagt und totgeschlagen.

 

Hoyerswerda 1991: Unter dem Beifall der umstehenden Menge attackieren Rechtsextremisten über Tage die Heime von Asylsuchenden, Vertragsarbeitern und -arbeiterinnen, vertreiben die Menschen, die hier wohnen, mit Steinen und Brandflaschen.

 

Mölln 1992: Beim Brandanschlag auf Wohnhäuser türkischer Familien werden Bahide Arslan und zwei ihrer Enkelinnen ermordet.

 

Rostock-Lichtenhagen 1992: Tagelang belagern Hunderte Neonazis und Tausende Schaulustige die Unterkünfte von Asylsuchenden, Vertragsarbeitern und -arbeiterinnen. Ein Heim, in dem sich 100 Vietnamesen und Vietnamesinnen verschanzt haben, wird in Brand gesteckt.

 

Solingen 1993: Bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag auf das Haus der türkischstämmigen Familie Genc werden fünf Mädchen und Frauen getötet.

 

Schlaglichter auf die rassistische Gewalt nach der deutschen Wiedervereinigung. Mindestens 42 Menschen wurden zwischen 1990 und ’92 von Neonazis ermordet. Allein 1992 wurden über 2500 rechtsextreme Gewalttaten gezählt. Ein überbordender, vernichtender Hass. Und der kam auch damals keineswegs von ungefähr. Angestachelt von einer lang anhaltenden, erbitterten Debatte um Flüchtlinge und Asylrecht nach der Wende, war er eingebettet in eine weit verbreitete, extrem ausländer- und migrationsfeindliche Stimmung im Land.

 

Asylantenschwemme“, „Asylschmarotzer“, „Flüchtlingsflut“, „Überfremdung“. So die Worte – die Taten folgten. Als Anpeitscherin trieb die Union die übrigen Parteien vor sich her, um eine Änderung des Grundrechts auf Asyl zu erzwingen. Das ist ihr zwar zynischerweise nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen mit dem sogenannten Asylkompromiss gelungen, aber profitiert haben vor allem die rechtsextremen Republikaner. Auf der Woge des „Asylmissbrauchs“ konnte die Partei in Berlin und Brüssel in die Parlamente einziehen.

 

Es gibt eine lange Geschichte des militanten Rassismus in Deutschland, eine bittere Kontinuität rechter und rechtsterroristischer Gewalt auch nach den 1990er Jahren. Die Morde des NSU, der Anschlag von Halle, das Attentat in Hanau ... Dennoch zeigt die Statistik des Schreckens immer dann Höhepunkte auf, wenn über öffentliche Hetzreden ein gesellschaftliches Umfeld geschaffen wird, das die Hemmschwellen senkt, von dem die Täter sich legitimiert und getragen fühlen.

 

Und heute?

 

Da gibt Innenministerin Nancy Faeser die sicherheitspolitische Hardlinerin, operiert gezielt mit dem Reizwort „Clankriminalität“ und distanziert sich nicht von Vorschlägen der Länder, „Clanmitglieder“ umstandslos abzuschieben – obwohl dies rechtsstaatlich kaum möglich ist. Hauptsache, es werden virulente Ressentiments bedient, um dann die Law-and-Order-Lösung zu präsentieren. Und weil es sich unter den Taliban so gut leben lässt, will Faeser auch gleich noch das Abschiebeverbot nach Afghanistan aufheben.

 

Da schwadroniert Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Union, von „Asylmissbrauch“ und fordert, das Individualrecht auf Asyl in der Europäischen Union ganz abzuschaffen. Stattdessen plädiert er für eine Kontingentlösung. Interessant. Wollen wir dann nicht auch für andere Grundrechte eine mengenmäßige Quote einführen? Applaus für Frei kommt vom Parteivorsitzenden Friedrich Merz; der freut sich offenbar, dass sein Kollege das Gedankengut der Rechtsextremisten bereits so wunderbar inhaliert hat. „Manche mögen’s rechts“, spottet die Satiresendung Extra3 über das Fischen der Union im trübbraunen Teich. Jan Böhmermanns Urteil über die CDU fällt eindeutig härter aus: „Nazis mit Substanz.“

 

Da palavert Thüringens FDP-Vorsitzender Thomas Kemmerich über Flüchtlinge aus der Ukraine und ärgert sich, dass die noch im Land sind. Schließlich kämen ja nicht alle aus Kriegsgebieten, deshalb solle man sie doch abschieben. Das sagt derselbe Kemmerich, der kein Problem damit hat, sich mit Reichsbürgern und AfD-Spitzenpersonal sehen zu lassen. Und der parlamentarische Mehrheiten im Thüringer Landtag, die mit Obernazi-Höckes Gnaden zustande kommen, völlig okay findet.

 

Die Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 belegt, dass über zwei Millionen Deutsche ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben. Dazu gehören Fremdenhass, Antisemitismus, Chauvinismus und Sozialdarwinismus, es geht gegen Migranten und Migrantinnen, Muslime und Musliminnen und andere marginalisierte Gruppen – aber auch Frauen. Wie sagte es doch Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl: „Echte Männer sind rechts.“ Und frauenfeindlich.

 

Dabei stellt die Leipziger Studie fest, dass die manifeste Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen zwar seit zwei Jahren abnimmt, die latente Zustimmung hingegen wächst, vor allem im Blick auf Ausländerfeindlichkeit. Es sind diese, in ihrer Einstellung noch nicht gefestigten Bevölkerungsgruppen, bei denen die AfD ihr Mobilisierungspotenzial sieht.

 

Und demokratische Politiker und Politikerinnen haben offenbar nichts Besseres zu tun, als die grassierende, feindliche Gesinnung im Land durch ihr gewissenloses Gerede zu bestärken – auf dass aus verkappten Rechtsextremen entschlossene Überzeugungstäter werden. Das ist zum Fürchten.

 

(Quelle: fr.de)


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