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Bundessozialgericht zum Leistungsausschluss von Unionsbürger*innen: Anspruch auf SGB II nach fünf Jahren Aufenthalt auch ohne durchgehende Wohnsitzanmeldung

Bild: pixabay.com
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Das Bundessozialgericht hat gestern (20.09.2023) eine wichtige Frage zum SGB-II-Leistungsanspruch von Unionsbürger*innen (und anderen nicht-deutschen Staatsangehörigen) geklärt, die bislang sehr umstritten war: Der Anspruch auf Leistungen nach SGB II (und SGB XII) wegen eines „verfestigten Aufenthalts“ nach fünf Jahren ist nicht von einer durchgehenden Wohnsitzanmeldung abhängig. Vielmehr reicht eine erstmalige Wohnsitzanmeldung, die die Fünf-Jahres-Frist auslöst. (BSG, Urteil vom 20. September 2023, B 4 AS 8/22 R, es gibt dazu bislang nur den Terminbericht und noch nicht das schriftliche Urteil).

 

Konkret ging es in dem Fall um einen polnischen Staatsangehörigen, der seit über fünf Jahren in Deutschland lebte. Bei seiner Einreise hatte er einen Wohnsitz angemeldet. Danach war er jedoch nur mit Unterbrechungen angemeldet, seit 2017 war er nicht mehr gemeldet. Er hatte in Deutschland zeitweilig gearbeitet, war aber auch immer wieder arbeitslos. Das Jobcenter Hagen hatte seinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt, da er über kein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer und auch nicht über ein Daueraufenthaltsrecht verfüge. Vielmehr hätte er nur ein Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche und sei daher von Leistungen ausgeschlossen. Auch die Rückausnahme vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II wegen eines fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalts sei nicht erfüllt, weil er nicht seit fünf Jahren durchgehend mit einem Wohnsitz gemeldet war.

 

Das Bundessozialgericht hat nun entschieden, dass es keineswegs auf die durchgehende Wohnsitzanmeldung ankommt, sondern nur auf die erstmalige Anmeldung. Denn diese habe für den Fristbeginn der fünf Jahre „konstitutive Wirkung“. Danach muss zwar fünf Jahre ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegen, die Wohnsitzanmeldung muss aber nicht durchgehend vorliegen. Im konkreten Fall hatte der Kläger auf vielfältige Weise glaubhaft gemacht, dass er bis auf wenige Tage Unterbrechung fünf Jahre lang in Deutschland gelebt hatte, z. B. durch eine Arbeitsbescheinigung, eine Lohnsteuerbescheinigung, Arztbesuche, Aufenthalt von einigen Tagen im Gefängnis, Bestätigung über ein Vorstellungsgespräch und Zeugenaussagen. Da er zeitweilig wohnungslos war, gab es aber keine durchgehende Wohnsitzanmeldung. Eine detaillierte Darstellung gibt es dazu in dem zugrundeliegenden Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26. Januar 2022; S 32 AS 3591/18.

 

Das Urteil ist von großer Bedeutung insbesondere für EU-Bürger*innen, die schon lange in Deutschland leben, unter Umständen wohnungslos sind und z. B. wegen Arbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit kein anderes Freizügigkeitsrecht erfüllen. Nach fünf Jahren Aufenthalt unterliegen sie gem. § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht mehr dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II. Vorher würde nur ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 5ff SGB XII bestehen.

 

Wichtig ist: Anders als dies manchmal angenommen wird, besteht in den allermeisten Fällen natürlich auch schon vor fünf Jahren ein Leistungsanspruch. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer*in, die Fortgeltung des Arbeitnehmer*innenstatus oder ein Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige erfüllt ist. In der Broschüre „Ausgeschlossen oder privilegiert“ des Paritätischen Gesamtverbands gibt es dazu ausführliche Informationen.

 

(Quelle: Projekt Q)


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