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Zur IMK in Potsdam: Gerade jetzt: Den Rechtsstaat stärken!

Bild: pixabay.com
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Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und alle anderen Lan-desflüchtlingsräte, der Republikanische Anwältinnen- und An-wälteverein (RAV), die Neue Richtervereinigung (NRV), die Ar-beitsgemeinschaft Migrationsrecht des Deutschen Anwalt-verein (DAV), und PRO ASYL stehen und streiten für den

Rechtsstaat als Grundlage unserer Demokratie.

 

Hierzu gehört die Wahrung völkerrechtlicher Grundsätze. Bundeskanzler Scholz forderte in seiner Regierungserklärung, dass bei schweren Straftaten Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien stattfinden sollen. In beiden Ländern drohen je-doch Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzun-gen, die Abschiebungen völkerrechtlich verbieten.

 

Wir sind erschüttert von den Taten in Mannheim und Wolmir-stedt und drücken unser tiefes Beileid aus.

Zugleich sind wir alarmiert über die einmal mehr zunehmende rassistische Gewalt u.a. in Grevesmühlen und Rostock und die aktuell stattfindenden Debatten.

 

Nach einer schweren Straftat muss die Justiz für Gerechtigkeit sorgen. Hierfür haben wir in Deutschland einen funktionie-renden Rechtsstaat. Dieser darf nicht untergraben werden, indem völkerrechtliche Errungenschaften in Frage gestellt werden. „Und das Grundgesetz verspricht, dass niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden darf“, mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.

 

Aus dem Folterverbot folgt: Niemand darf abgeschoben wer-den, wenn nach der Abschiebung Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Dieses absolute Folterverbot ist in Artikel 3 der Europäischen Men-schenrechtskonvention und Artikel 4 der EU-Grundrechte-charta normiert. Es gilt uneingeschränkt für alle Menschen – auch für Personen, die in Deutschland Straftaten begangen haben. Denn die Garantie der Menschenwürde gilt für alle Menschen, unabhängig von der Schwere der von ihnen began-genen Verbrechen. Ihre Strafen müssen sie in Deutschland ver-büßen.

 

Etwaige "Sicherheitszusagen" für die abzuschiebenden Straf-täter sind weder von Seiten der islamistischen Taliban noch von Seiten des Assad-Regimes vertrauenswürdig und zuver-lässig und können damit eine menschenrechtswidrige Ab-schiebung nicht legitimieren.

 

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt im Be-richt von März 2024 zu dem Fazit, dass »aufgrund der deso-laten Sicherheitslage und der vielerorts prekären humanitären Lage in Syrien und Afghanistan […] Art. 3 EMRK etwaigen Ab-schiebungen in diese Staaten regelmäßig entgegenstehen [wird]«.

 

Wenn Bundeskanzler Scholz ankündigt, das Bundesinnenmi-nisterium würde mit Anrainerstaaten über eine Abschiebung dorthin verhandeln und eine Weiterschiebung von dort in die Herkunftsländer erfolgen würde, wäre auch das ein Verstoß gegen die o.g. rechtlichen Bindungen. „Das mit einer Gefähr-dungsprognose einhergehende Abschiebungshindernis kann nicht damit umgangen werden, dass man anderen den Vollzug qua Kettenabschiebung überlässt“, mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.

 

Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 ist die menschenrechtliche und humanitäre Situation in Afghanistan katastrophal. Internationale Organisationen und die Vereinten Nationen berichten von außergerichtlichen Tötungen, willkür-lichen Verhaftungen, Folter und weiteren Misshandlungen durch die Taliban. Besonders Frauen und Mädchen sind von weitreichenden Einschränkungen ihrer Rechte und von Gewalt betroffen.

 

Der UNHCR betont, dass die meisten Menschenrechtsverlet-zungen undokumentiert bleiben und die Verfolgungsgefahr unvorhersehbar ist. UNHCR fordert deswegen von allen Staa-ten, keine Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen. Hinzu kommt eine humanitäre Krise, die durch Erdbeben und Sturzfluten weiter verschärft wurde. Die Europäische Asyl-agenturbestätigt in ihrer Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024, dass es im Land keine internen Schutzalternati-ven gibt.

 

Deutschland hat seit der Machtübernahme der Taliban keine diplomatischen Beziehungen zu Afghanistan. Eine Wiederauf-nahme von Abschiebungen würde eine Kooperation mit den Taliban erfordern, die die Bundesregierung nicht als recht-mäßige Regierung anerkennt. Eine solche Kooperation wäre ein Schritt zur Normalisierung der Beziehungen, was außen- und menschenrechtspolitisch katastrophal wäre.

 

Unter Machthaber Assad wird in Syrien seit Jahren systema-tisch gefoltert, Menschen verschwinden und werden rechtswi-drig inhaftiert oder getötet. Internationale Organisationen wie UNHCR, OHCHR und Amnesty International bestätigen dies.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehr-fach entschieden, dass Abschiebungen nach Syrien eine Ver-letzung von Artikel 3 der EMRK bedeuten. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass eine sichere Rückkehr nach Syrien derzeit nicht gewährleistet

werden kann.

 

Rückkehrende werden pauschal als Verräter behandelt und sind systematischer Willkür ausgesetzt. Willkürliche Verhaf-tungen und Folter sind in Syrien an der Tagesordnung. Mehr als 100.000 Menschen gelten als vermisst. Der EU-Außen-beauftragte Josep Borrell bestätigte Ende Mai, dass die Bedin-gungen für sichere und würdige Rückkehr nach Syrien nicht gegeben sind. Abschiebungen nach Syrien würden eine Koo-peration mit dem Assad-Regime erfordern, die die Sanktions-politik untergräbt und das Regime rehabilitiert, anstatt es für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

 

Islamistischer Terror, Rechtsextremismus und Antisemitismus stellen eine Bedrohung für die offene Gesellschaft in Deutsch-land dar. Solchen menschenverachtenden Taten muss mit dem deutschen Strafrecht begegnet werden. Das geschieht ausnahmslos. Für die Strafgerichte ist es dabei nicht ent-scheidend, welche Staatsangehörigkeit Täter haben. Wenn sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, können sie nach einer Verurteilung und nach Verbüßung eines Teils ihrer Frei-heitsstrafe außerdem abgeschoben werden, siehe § 456a StPO, sofern die Abschiebung zulässig ist. Aber Abschiebun-gen in Länder, in denen Folter, Misshandlungen und weitere Menschenrechtsverletzungen drohen, sind mit dem Rechts-staat und dem Völkerrecht indes unvereinbar und dürfen nicht stattfinden.

 

Gerade in schwierigen Zeiten muss der Rechtsstaat Stärke durch Einhaltung wichtiger Grundsätze zeigen. Politischen Akteur*innen kommt hier eine wichtige Rolle zu, ihn zu ver-teidigen und wichtige Grundsätze zu vertreten. Dies stärkt un-sere Demokratie langfristig gegen die, die sie untergraben

wollen.

 

(Quelle: frsh.de)


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