Das Bundessozialgericht hat am 10. März 2022 entschieden, dass auch bei Grundleistungsberechtigten nach § 3 und 4 AsylbLG eine „Obligatorische Anschlussversicherung“ gem. § 188 Abs. 4 SGB V entsteht, wenn sie zum Beispiel aufgrund ei-ner Arbeit zuvor gesetzlich versichert oder familienversichert waren (BSG, Urteil vom 22. März 2022; B 1 KR 30/20 R ). Dies ist besonders relevant, wenn AsylbLG-Grundleistungsberechtigte wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Mitglied der Gesetzlichen Krankenkasse wurden: Sie fallen nach Verlust der Arbeit nicht in das verfassungswidrige System der Notfall-medizin nach § 4 AsylbLG zurück, sondern bleiben zwingend Mitglied der Krankenkasse.
Allerdings fallen dann auch Beiträge an, die monatlich gezahlt werden müssen. In der Praxis gibt es Berichte, nach denen die Sozialämter die Kostenübernahme der Beiträge verweigern – mit dem Argument es gebe keine Rechtsgrundlage dafür. Die Bteroffenen müssten dann halt Schulden gegenüber der Kran-kenkasse anhäufen, hätten dennoch Anspruch auf Notfallbe-handlung – aber diese Notfallbehandlung sei ja auch ausrei-chend für AsylbLG-Berechtigte.
Dieses Argument ist ebenso zynisch wie rechtswidrig: Es be-steht unserer Überzeugung nach ein Anspruch auf Beitrags-übernahme durch das Sozialamt gem. § 6 AsylbLG, denn dies ist zur „Sicherung der Gesundheit unerlässlich“. Das Land Rheinland-Pfalz sieht dies in einem Erlass vom 23. Februar 2023 ebenso:
„Die entsprechenden Versicherungsbeträge im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung sind von der zustän-digen Leistungsbehörde dann gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zu gewähren, da diese Leistung zur Sicherung der Gesundheit – mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des Schutzes der Gesundheit als zentrale Teilkomponente des Soziokul-turellen Existenzminimums (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 – , Rn. 64) – unerlässlich ist.“
Dafür spricht auch die Rechtsauffassung mehrerer Landesso-zialgerichte: Diese haben festgestellt, dass auch bei der Ge-sundheitsversorgung im Rahmen des AsylbLG der Leistungs-umfang normalerweise nicht denjenigen der Gesetzlichen Krankenkassen unterschreiten darf. Genau das aber wäre der Fall, wenn wegen Nicht-Übernahme der Beiträge und entspre-chender Beitragsschulden nur noch eine Notfallbehandlung beansprucht werden könnte. Zum Beispiel:
- LSG Hessen, Beschluss vom 11. Juli 2018; L 4 AY 9/18 B ER
- LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28. August 2019; L 9 AY 13/19 B ER
Aus diesen Gründen sollte die Verweigerung der Kostenüber-nahme der GKV-Beiträge keineswegs akzeptiert werden. Diese sollten beim Sozialamt ausdrücklich beantragt und bei Ableh-nung mit Widerspruch, Klage und ggfs. Eilantrag beim Sozial-gericht durchgesetzt werden. Eine Kollegin, die absolute Spe-zialistin für alles ist, was mit Gesundheitsleistungen zu tun hat, hat hierfür einen Musterantrag formuliert, der mit etwas Umarbeit auch als Widerspruch nutzbar ist.
(Quelle: ggua.de)