2023 war ein migrations- und integrationspolitisch ereig-nisreiches Jahr: In Deutschland und der Europäischen Union stiegen die Flüchtlingszahlen wieder deutlich an. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat die EU über vier Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, mehr als ein Viertel von ihnen leben in Deutschland. Im Bereich des individuellen Asyls wurden 2023 mehr Erstanträge registriert – in 2023 knapp 330.000 allein in Deutschland. 2022 waren es noch rund 218.000. Vor diesem Hintergrund verständigten sich das Euro-päische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die EU-Kommission auf eine Reform des Gemeinsamen Europäi-schen Asylsystems (GEAS). Auch auf nationaler Ebene wurden Reformen in den Bereichen Integration und Migration be-schlossen. Der Sachverständigenrat für Integration und Migra-tion (SVR) begleitete die Entwicklungen gemäß seinem Man-dat, als unabhängiges Gremium Politik und Öffentlichkeit wissenschaftsbasiert zu beraten.
Der Jahresbericht 2023 gibt Ihnen einen Einblick in die Arbeit des SVR und der Geschäftsstelle:
- Zur Lektüre möchte ich Ihnen ein Interview mit dem SVR-Vorsitzenden Prof. Vorländer und dem SVR-Mitglied Prof. Kluth empfehlen. Sie rücken die Zuzüge im Bereich der Fluchtzuwanderung in einen Kontext, nehmen Stellung zur GEAS-Reform und äußern sich zu den Herausforde-rungen, die sich vor dem Hintergrund verstärkter Flucht-zuwanderung für Deutschland ergeben. Vor dem ver-schärften Ton in der Debatte warnen sie eindringlich: Polarisierung erhöhe vielleicht den Handlungsdruck, verhindere aber nachhaltige politische Lösungen.
- Das SVR-Jahresgutachten 2023 untersucht, wie der Kli-mawandel das globale, regionale und lokale Migra-tionsgeschehen beeinflusst und welche Erfordernisse sich hieraus für migrations- und flüchtlingspolitisches Handeln ergeben. Dass die Zeit drängt und welche Instru-mente den politischen Akteuren zur Verfügung stehen, erläutert Prof. Vorländer in einem Namensartikel. Lesen Sie dazu auch ein Interview mit der stellvertretenden SVR-Vorsitzenden Prof. Leyendecker, die auf Gerechtig-keitsfragen und das Recht zu bleiben eingeht.
- In allen Bereichen tragen freiwillige Helferinnen und Helfer zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. 2023 hat sich erneut gezeigt, wie wichtig die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung bei der Flüchtlingsauf-nahme ist. Wovon aber hängt Hilfsbereitschaft ab? In ei-nem Namensartikel erläutern Dr. Storz und Dr. Schneider zentrale Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt des wissenschaftlichen Stabs des SVR.
- Welche weiteren Themen den wissenschaftlichen Stab beschäftigt haben, können Sie dem Jahresbericht ent-nehmen. Hervorheben möchte ich die Studie „Prekäre Beschäftigung – prekäre Teilhabe“, in der auf die Lage ausländischer Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohn-sektor eingegangen wird. Und eine Analyse von Daten des SVR-Integrationsbarometers zu Racial Profiling bei Poli-zeikontrollen ergab: Als ausländisch wahrgenommene Befragte werden etwa doppelt so häufig von der Polizei kontrolliert als solche, auf die das nicht zutrifft.
- Außerdem beschäftigten den SVR wichtige Gesetzes-initiativen. So äußerte sich der Rat zu den Entwürfen eines Gesetzes und einer Verordnung zur Weiterentwick-lung der Fachkräfteeinwanderung sowie zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Staatsange-hörigkeitsrechts. Im vergangenen Jahr standen zudem Diskussionen in Bezug auf die Asylpolitik im deutschen und europäischen Kontext im Fokus: Der SVR mahnte eine Nachjustierung des EU-Asylkompromisses an. Besonders kritisch verfolgte er die Diskussion um eine Verlagerung von Asylverfahren in Transit- oder Drittstaaten.
- Die vielfachen politischen Aktivitäten in 2023 – und die zum Teil polarisiert geführte öffentliche Debatte – zeigen, dass Fragen der Migrationssteuerung und Teilhabe zum Alltag im Einwanderungsland Deutschland gehören. Prof. Vorländer erläuterte vor diesem Hintergrund in zahlrei-chen Medieninterviews grundlegende Mechanismen zur Flüchtlingsaufnahme sowie die Herausforderungen, die sich vor allem für Kommunen ergeben. Ein zentrales An-liegen war dabei, aktuelle Ereignisse in ihren jeweiligen Kontext einzuordnen und mit empirischer Evidenz und Abwägungen zur Versachlichung der Debatte beizutra-gen.
- Bei den Beratungen seines SVR-Jahresgutachtens 2024 beschäftigte sich der SVR auch mit antisemitischen Ein-stellungen sowie Straftaten, die seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen zugenommen haben. Die hier er-kennbaren Konfliktlinien haben sich im Jahr 2024 weiter verstärkt und fordern wie auch rassistische Einstellungen und Hasskriminalität Politik und die Einwanderungsge-sellschaft heraus.
- Im Kontext der verschiedenen Themen, die den SVR und seinen wissenschaftlichen Stab beschäftigten, wurde wie schon im Vorjahr deutlich, dass die Rechtssetzung allein zu kurz greift und es eine verstärkte Aufmerksamkeit auf Fragen der Rechtsumsetzung in Behörden im In- und Aus-land, auf eine beschleunigte Digitalisierung von Prozes-sen und eine koordinierte Zusammenarbeit von Stellen auf allen föderalen Ebenen braucht.
Der vorliegende Jahresbericht dokumentiert, welche Themen den SVR und seine Geschäftsstelle 2023 beschäftigt haben. Wir freuen uns, wenn er Ihr Interesse weckt!
Der SVR-Jahresbericht 2023 steht unter diesem Link zur Verfügung:
(Quelle: svr-migration.de)