Die Bundesregierung ist verpflichtet, die Regelbedarfe für die Sozialleistungen jährlich an die Entwicklung von Preisen und Löhnen anzupassen. Am 18. Oktober 2024, zeitgleich mit der Abstimmung über das Sicherheitspaket im Bundestag, hat der Bundesrat der diesjährigen Verordnung aus dem Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zugestimmt. Sie führt jedoch nicht zu einer Steigerung, sondern zur Kürzung der Grundleistungen für Geflüchtete nach dem Asylbewer-berleistungsgesetz (AsylbLG). Die Kürzung dürfte vermutlich um die 20 Euro monatlich für eine erwachsene Person be-tragen.
Die vom BMAS verantwortete und vom Bundesrat beschlosse-ne Verordnung ist die vierte binnen zwölf Monaten, mit der die Verantwortlichen schutzsuchende Menschen tiefer in die exis-tenzielle Not treiben. In diese Reihe gehören schon die diskri-minierende Bezahlkarte, verlängerte Grundleistungen im AsylbLG und die infame Leistungsstreichung im Sicherheitspa-ket.
Als Grund für die Minusrunde gibt das zuständige BMAS an, die aktuelle Neuberechnung des Statistischen Bundesamtes hätte für das Jahr 2025 ein Minus ergeben. Allerdings sehe § 28a Ab-satz 5 SGB XII einen Bestandsschutz vor, so dass die Bürger-geld- und Sozialhilfe-Regelsätze unverändert bleiben. Für Asylsuchende hingegen bestreitet das BMAS die Anwend-barkeit des Bestandschutzes.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die aktuelle Berech-nungsmethode für die Anpassung bemängelt und kritisiert, dass auch die Nullrunde für Sozialhilfe- und Bürgergeldem-pfänger*innen angesichts gestiegener Preise und Löhne nicht sachgerecht ist. Arme Menschen verlieren damit an Kaufkraft. Für Asylsuchende gilt eigentlich dieselbe Berechnungsmetho-de. Schon jetzt sind die Leistungen nach dem AsylbLG geringer als die Bürgergeldsätze, nun geht die Schere noch weiter auf.
Das Verfassungsgericht hielt 2012 grundsätzlich fest, dass die Sozialleistungen für Geflüchtete nicht pauschal niedriger be-messen sein dürfen als die regulären Sozialleistungen.
Die Minusrunde für Geflüchtete ist ein bislang einmaliger Vor-gang. Die Idee jedoch, Geflüchtete über den Hebel der jähr-lichen Anpassungen zu benachteiligen, ist nicht neu: Das Bun-desverfassungsgericht hat die Leistungen nach AsylbLG be-reits in seinem wegweisenden Urteil von 2012 als »evident unzureichend« bezeichnet, weil sie, anders als die Sozialhilfe, über viele Jahre nicht an die Preisentwicklung angepasst wor-den waren und dadurch eine erhebliche Differenz entstanden war. Von 2017 bis 2019 kam es drei Mal in Folge erneut zu ge-setzgeberischen Versäumnissen bei der Anpassung.
Aufgrund der Ungleichbehandlung der verschiedenen Grup-pen bedürftiger Personen darf man erhebliche Zweifel haben, dass die nun beschlossene Regelung verfassungskonform ist. Das Verfassungsgericht hielt 2012 grundsätzlich fest, dass die Sozialleistungen für Geflüchtete nicht pauschal niedriger be-messen sein dürfen als die regulären Sozialleistungen. Der Gesetzgeber darf, wie es in den Leitsätzen des Urteils heißt »nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren«. Abweichende Leistungen sind nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen einer bestimmen Gruppe von Menschen »von dem anderer Bedürftiger signifikant ab-weicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann«.
Eine solche empirisch belegte, transparente Berechnung hat der Gesetzgeber allerdings seit mehr als zwölf Jahren nicht geliefert. Das ist nicht überraschend: Auch Geflüchtete im AsylbLG-Bezug sind Menschen, die alle Bedarfe haben, die Menschen nun einmal haben. Dass die Asylbewerberleis-tungen nicht bedarfsdeckend sind, haben PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Berlin 2022 ausführlich analysiert. Zahlreiche Organisationen kritisieren das Asylbewerberleistungsgesetz insgesamt als verfassungswidrig und fordern seine Abschaffung.
(Quelle: proasyl.de)