Bereits im Jahr 2013 hatte der EuGH in der Rechtssache X,Y,Z gegen die Niederlande (M21260) festgestellt, dass bei der Prüfung von Asylanträgen von homosexuellen Personen nicht erwartet werden darf, dass sie ihre sexuelle Orientierung geheim halten oder Zurückhaltung bei ihrer Auslebung ausüben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (sog. Diskretionsgebot). Trotz dieser EuGH-Grundsatzentscheidung hatten Asylbehörden und Gerichte in Deutschland und Österreich in Verfahren von Schutzsuchenden, die Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung geltend machen, vielfach dennoch das „Diskretionsgebot“ angewendet. Dies erfolgte, indem bei der Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit prognostiziert wurde, wie sich die asylsuchende Person bei Rückkehr in das Herkunftsland möglicherweise verhalten würde und ob sie durch „diskretes“ Verhalten eine Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung vermeiden könnte (ausführlich hierzu Dörr/Träbert/Braun, Asylmagazin 7-8/2021, ab S. 262 mwN).